„Je verdorbener ein Staat, desto mehr Gesetze hat er“ meinte der römische Senator und Historiker Publius Cornelius Tacitus (ca. 56-120 AD) als Rom ein „europäisches“ Weltreich beherrschte. Wie sieht es denn in der heutigen Schweiz aus ? Zur Illustration: Die amtliche Sammlung des Bundesrechtes beispielsweise für den Zeitraum von 2013-2015 weist 5435 Seiten an verabschiedeten Gesetzen und Verordnungen jährlich aus. Provisorische Zahlen für die ersten 22 Tage des Januars 2019 lassen ein Monatstotal von 400-500 derartiger Seiten erwarten. Dabei verabschiedet der National- resp. Ständerat jeweils nur das entsprechende Gesetz ( und im Referendumsfall wird nur dieses dem Stimmvolk unterbreitet) , nicht aber alle das jeweilige Gesetz „ausdeutschenden“ Verordnungen der Bundesverwaltung. Ein Beispiel: Das am 1.Mai 2017 neu in Kraft getretene Lebensmittelrecht umfasst zusätzlich zum eigentlichen Gesetzestext 4 Verordnungen des Bundesrates sowie 23 Verordnungen anderer Bundesämter plus 200 Seiten Erläuterungen, d.h. insgesamt 2080 Seiten !
Kann jeder Volksvertreter überhaupt wissen und verstehen, was er/sie da jeweils beschliesst, und kann er/ sie verfolgen, ob ein Gesetz seinen Zweck erreicht, unerwartete Nebenwirkungen auslöst oder durch nachträgliche Verordnungen ent- oder verschärft wird ? Sicher ist, dass jeweils eine Mehrheit der gesetzgebenden National- und Ständeräte sich bei jedem Gesetzesentscheid auf die Beurteilung durch die sie vertretenden Kommissionsmitglieder verlassen muss….und auf jene der jeweiligen Parteispitzen.
Diese Situation macht aus unserer Schweiz noch keinen verdorbenen Staat. Aber sie hat zur Folge, dass die Bundesverwaltung mit der Gesetzes- und Verordnungsflut wächst….wachsen muss, die Rechtsabteilungen der grösseren Wirtschaftsunternehmen ständig vergrössert werden müssen, die Universitäten mehr Juristen, Politikwissenschaftler u.ä.m. produzieren und KMU‘s resp. Privatpersonen immer öfters den Rat von Juristen/Anwälten/Treuhändern suchen müssen. Dafür fehlen uns beispielsweise Mediziner, ChemikerInnen, KrankenpflegerInnen , Ingenieure u.s.w. ! Dies alles lässt zwar unser Bruttosozial- oder Bruttoinlandprodukt auch wachsen….aber macht das uns BürgerInnen wohlhabender ? Unser Leben einfacher ? Sicher nicht !
Jedoch noch bedauerlicher, schlimmer als dieses Umlenken von gut ausgebildeten Menschen auf letztlich weniger produktive Tätigkeiten ist die Tatsache, dass jedes neue x-te Gesetz uns BürgerInnen neue Verhaltensvorschriften auferlegt, unseren persönlichen Freiraum einschränkt, uns mit Strafen bedroht und uns befürchten lässt, bald nicht mehr mit Sicherheit wissen zu können, was alles uns verboten ist… und wir schliesslich resignierend nur noch das zu tun suchen, was uns durch Gesetz und Verordnung ausdrücklich erlaubt ist !
Diese Entwicklung macht aus unserer Schweiz immer noch keinen verdorbenen Staat…aber zu einem Nanny-Staat. Die Bundespolitik nimmt uns liebevoll und besorgt an die Hand, zeigt uns wie wir richtig leben sollen, was wir tun oder nicht tun dürfen, sorgt sich um und für uns von Wiege (Kesb) bis zur Bahre (Kesb). Wir sind doch nicht die Kinder unserer Bundespolitiker ! Und eine Grenze zwischen diesem Nanny-Staat und gesetzlich basierter – freiheitsfeindlicher – Sozialvormundschaft hat noch niemand aufgezeigt. Der französische Philosoph Bernard-Henry Lévy hat das so gesagt: „Un état totalitaire c’est un état qui se fantasme comme instituteur de la société“. Das wäre dann eine verdorbene Gesellschaft in eine totalitären Schweiz!
Ich wünsche mir, dass die BürgerInnen unseres Landes beginnen, sich gegen ihre zunehmende politische und persönliche Entmündigung aufzulehnen, dem immer wachsenden Machtanspruch der nationalen Politaristokratie entgegenzutreten. Anfangen müsste ein solcher Protest in den Gemeinden, auf Stufe der lokalen politischen Parteien wo der Einfluss (und das Interesse) der national wirkenden Berufspolitiker gering ist.